Am 13.05.06 eröffnet das Schlesische Museum zu Görlitz seine ständige Ausstellung im Schönhof am Görlitzer Untermarkt. Im Hinblick auf die weitere Arbeit des Museums hat der Stiftungsrat der Stiftung Schlesisches Museum zu Görlitz in seiner Sitzung am 13.04.05 einstimmig die nachfolgenden Leitlinien beschlossen.

Leitlinien für die Arbeit des Schlesisches Museums

Teil A - Stifter und Gründungsauftrag

Die Stiftung Schlesisches Museum zu Görlitz wird getragen durch die Bundesrepublik Deutschland, den Freistaat Sachsen, die Stadt Görlitz und die Landsmannschaft Schlesien.

Das Museum versteht sich als die zentrale museal-wissenschaftliche Einrichtung für die Kulturgeschichte Schlesiens in der Bundesrepublik Deutschland. Es sammelt, bewahrt und präsentiert dingliches schlesisches Kulturgut mit dem Ziel, Kultur und Geschichte des historischen Schlesien einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. Das Museum stellt die deutschen Kulturtraditionen Schlesiens in eine europäische Perspektive und will einen Beitrag zur europäischen Einigung erbringen, insbesondere zur Verständigung mit der Republik Polen und der Tschechischen Republik. Mit den entsprechenden internationalen Institutionen soll ein ständiger Austausch gepflegt werden. Das Museum ist den Prinzipien des International Council of Museums – ICOM – verpflichtet. Dem Bildungsauftrag kommt eine besondere Bedeutung zu.

Das Museum ist ein Ort, an dem Geschichte dargestellt, interpretiert, vermittelt und im Rahmen seiner Aufgaben erforscht wird. Darüber hinaus kann es dazu beitragen, Geschichtsbilder zu hinterfragen und gegebenenfalls zu korrigieren. Es kann die Entstehung historischer Stereotypen aufzeigen und historische Modelle der Konfliktbewältigung sowie des Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen liefern.

 

Teil B – Aufgaben und Perspektiven

Das Museum ist in erster Linie ein kulturhistorisches Museum. Seine Sammlung umfasst in einem breiten Spektrum – von sakralen Objekten und Werken der Kunst bis zu schlichten Gegenständen aus der Welt des Alltags – unterschiedliche Zeugnisse des historischen Lebens. Naturräumliche Voraussetzungen der schlesischen Geschichte werden als Hintergrundinformationen zum Verständnis kulturgeschichtlicher Sachverhalte berücksichtigt.

Das zentrale Thema des Museums ist die Geschichte und Kultur des von Deutschen geprägten Schlesien, wobei auch die slawische Geschichte und ihre Tradition Berücksichtigung finden. Das Museum dokumentiert damit die Geschichte des Landes von der Zeit der piastischen Herzöge und der deutschen Besiedlung bis zur Vertreibung und Aussiedlung von Deutschen in Folge des Zweiten Weltkriegs. Auf diese Zeiträume konzentriert sich die Dauerausstellung und wird sich in Zukunft die Sammlungstätigkeit des Museums im wesentlichen beschränken. In den einzelnen Epochen werden politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, konfessionelle, volkskundliche und kunstgeschichtliche Themen angesprochen.

Das Arbeitsgebiet des Museums ist ganz Schlesien, einschließlich des oberschlesischen Landesteils und des ehemaligen Österreichisch-Schlesien. Kultur und Geschichte der Oberlausitz, die von anderen Museen im Freistaat Sachsen bearbeitet werden, sind für das Schlesische Museum nur in bestimmten Aspekten von Bedeutung: So werden etwa die Beziehungen der Oberlausitz und namentlich der Stadt Görlitz zu Schlesien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, ferner die Geschichte des nördlichen und östlichen Landesteils in der Epoche seiner staatsrechtlichen Zugehörigkeit zu Schlesien zwischen 1815 und 1945 in den Ausstellungen und in gewissem Umfang auch in der Sammlung des Museums Berücksichtigung finden.

Das Museum widmet über die genannten zentralen Anliegen hinaus seine besondere Aufmerksamkeit der Vertreibung der Deutschen, aber auch vergleichbaren polnischen Erfahrungen als Folge der sogenannten Westverschiebung Polens. Es berücksichtigt die im polnischen Schlesien verbliebenen Deutschen, ihre Anerkennung als Minderheit im Zuge der deutschen und europäischen Einigung. Das Museum widmet sich ebenso den Schicksalen und Leistungen der Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Das Museum will zur Erhaltung und Weiterentwicklung des gemeinsamen Kulturerbes beitragen und berücksichtigt dabei, daß mit der staatsrechtlichen Zugehörigkeit des überwiegenden Teils Schlesiens zu Polen und dem Beitritt Polens zur Europäischen Union eine neue historische Entwicklung begonnen hat.

Neben der Dauerausstellung kommt den Sonderausstellungen des Museums eine große Bedeutung zu. Sie sollen in Zusammenarbeit mit anderen Museen und Kultureinrichtungen, nicht zuletzt solchen in Polen und Tschechien, erarbeitet werden. Sonderausstellungen, die als Wanderausstellungen konzipiert sein können, werden auch Themen der jüngeren und jüngsten Zeitgeschichte aufgreifen. Eine Zusammenarbeit mit dem Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen-Hösel, welches Geschichte und Kultur Oberschlesiens präsentiert, wird angestrebt. Die Kooperation mit dem Haus Schlesien in Königswinter und dem Gerhart-Hauptmann-Haus in Agnetendorf wird weiter vertieft.

 

Teil C Regionale Verankerung und nichtmuseale Aufgaben

Das Museum hat seinen Platz innerhalb der Kultureinrichtungen der Stadt Görlitz. Mit den Städtischen Sammlungen, dem Staatlichen Museum für Naturkunde und der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften erfolgt eine Zusammenarbeit zum Nutzen der Region. Das Museum ergänzt das Görlitzer Kulturleben mit einem grenzüberschreitenden Angebot. Es übernimmt, mit Unterstützung des Kulturreferenten für Schlesien, eine Bildungsaufgabe gegenüber Schulen, in der Erwachsenenbildung und für die Öffentlichkeit.

Darüber hinaus werden vom Museum und dem Kulturreferenten wissenschaftliche Veranstaltungen, Tagungen und Kulturprojekte mit deutschen, polnischen und tschechischen Partnern durchgeführt. Das Museum versteht sich als Kontakt- und Clearing-Stelle für eine auf Schlesien bezogene internationale Kulturarbeit. Dazu gehört die Erfassung und Dokumentation des schlesischen Kulturgutes. Es unterstützt hierbei auch polnische Kultureinrichtungen und grenzübergreifende Museumsverbunde.