Sonderausstellung vom 16. September 2023 bis zum 14. April 2024
In unserer Sonderausstellung „Niederschlesien im Aufbruch“ galt es, die faszinierende Industriegeschichte Niederschlesiens auf einer Reise entlang der Schlesischen Gebirgsbahn zu entdecken. Es wurden charakteristische Gewerbe- und Industrieerzeugnisse aus Orten entlang der Strecke ausgestellt – vom Taschentuch bis zum gut fünf Meter langen Ausziehtisch. Die Ausstellung zeigte, wie Niederschlesien vom 19. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer bedeutenden Industrieregion heranwuchs – mit technischen Fortschritten und sozialen Umbrüchen.
Die 1867 eröffnete Eisenbahnlinie ermöglichte und beförderte den Aufschwung zahlreicher Gewerbe. Sie war nicht nur das wichtigste Transportmittel für Erzeugnisse der schlesischen Fabriken im Raum Görlitz–Hirschberg (Jelenia Góra)–Waldenburg (Wałbrzych), sondern ab dem Ende des 19. Jahrhunderts auch eine der Innovationsteststrecken für den elektrischen Betrieb. Sie diente zum Testen des neuartigen Antriebs, von Prototypen für E-Loks und Triebwagen. 1911 wurde zwischen Niedersalzbrunn und Halbstadt in Böhmen die erste Strecke in Schlesien elektrifiziert. Die Elektrifizierung der Schlesischen Gebirgsbahn wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, in den 1920er Jahren aber wiederaufgenommen. In der Ausstellung wurden zahlreiche Eisenbahnmodelle, Fotos und Dokumente von dieser Strecke gezeigt.
Aus der Vielzahl der Gewerbe und Industriezweige mit ihrer weit über Schlesien hinausreichenden Bedeutung stellte die Ausstellung charakteristische und auch ungewöhnliche Erzeugnisse vor. In Görlitz wurden die Grundlagen geschaffen und Dampfmaschinen und Dampfturbinen produziert, die weltweit Abnehmer fanden. In der Taschentuchstadt Lauban (Lubań) stellten zwischen 1850 und 1945 etwa 35 Fabriken ca. 90 Prozent aller in Deutschland produzierten Taschentücher her. Stolz warb die Stadt mit dem Slogan „Lauban putzt der Welt die Nase“.
Im nahegelegenen Langenöls (Olszyna) entwickelte Robert Ruscheweyh ein anderes Spezialprodukt: den Ausziehtisch. Er besaß das weltweit erste Patent dafür. Die von ihm gegründete Fabrik stellte mit einem 13 Meter langen Exemplar für bis zu 50 Personen den wohl längsten Ausziehtisch der Welt her. In der Ausstellung war ein immerhin 5,25 Meter langes Beispiel zu sehen.
An verschiedenen Orten in Schlesien wurden Stoffe durch Blaudruck verschönert. In Greiffenberg (Gryfów Śląski) entstand eine Blaudruck-Fabrik, aus der sich später die Greiff-Werke für Berufs- und Arbeitskleidung entwickelten. Sehr viel filigraner sind dagegen in tagelanger Handarbeit gefertigte Spitzen, wahre kleine textile Wunderwerke. Im Raum Hirschberg blühte diese Textilkunst vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre, protegiert und gefördert von Fürstin Daisy von Pless. Sie unterhielt in Hirschberg (Jelenia Góra) selbst zeitweise mehrere Spitzenschulen, aus denen ein bisher nicht gezeigter Bestand nun im Schlesischen Museum zu Görlitz präsentiert wurde.
Der Eisenbahnausbau ermöglichte es auch Scharen von Touristen, das idyllische Riesengebirge zu entdecken. Wanderer und Skifahrer nahmen stets ein Stück Urlaub aus Rübezahls Reich mit nach Hause: Schnitzereien, Souvenirs und allerlei Krimskrams.
Der Endpunkt der Reise war Waldenburg, im 19. Jahrhundert eine schmutzige Industriestadt mit zahlreichen Kohlevorkommen und -gruben. Die Eisenbahn transportierte nicht nur das „schwarze Gold“ zu Abnehmern im ganzen Deutschen Reich, sondern auch das „weiße Gold“ der Region: feinstes weißes oder farbig dekoriertes Porzellan. Im Raum Waldenburg waren zahlreiche Porzellanfabriken ansässig, darunter auch die Firma Carl Tielsch in Altwasser (Stary Zdrój).
AUSSTELLUNGSKATALOG
Zur Ausstellung ist ein zweisprachiger (deutsch/polnisch) und reich illustrierter Katalog erschienen. Die Publikation ist im Museumsladen und in unserem Onlinshop erhältlich.