Schlesien erfahren: Neu Schlesien in Australien

Neu Schlesien in Australien. Auswanderung aus der brandenburgisch-schlesischen Grenzregion nach Südaustralien im 19. Jahrhundert.

15.06.2022: Vortrag von Dr. Anitta Maksymowicz, Zielona Góra (Grünberg)

Im Jahre 1838 begann die Auswanderung aus der brandenburgisch-schlesischen Grenzregion nach Australien. Der Anstoß dazu war die Unzufriedenheit der Lutheraner mit den Veränderungen, die sich in der Kirche Preußens unter Friedrich Wilhelm III. vollzogen. Einige Lutheraner widersetzten sich den Reformen, und ihr Ungehorsam führte zu Verfolgungen. Sie beschlossen daher, ihre Heimat zu verlassen, um ihren Glauben woanders frei leben zu dürfen. Die Auswanderer aus Grünberg (Zielona Góra), Züllichau (Sulechów), Sagan (Żagań), Freystadt (Kożuchów) oder Sohrau (Żary) brachten ihre Religion auf den australischen Kontinent und gründeten dort die lutherische Kirche. Das Ergebnis ihrer Entschlossenheit war jedoch nicht nur ein Beitrag zur geistigen Kultur des neuen Kontinents. Denn seit den ersten Jahren der Besiedlung genossen sie vor allem als Landwirte, Lebensmittelproduzenten und Handwerker große Anerkennung, viel größer, als die populäre Bezeichnung für die Deutschen „3W“ (Weizen, Wein, Wolle) vermuten lässt.

Die Pioniere aus den Orten an der mittleren Oder (die ab Mitte der 1840er Jahre nicht mehr von religiösen Erwägungen, sondern dem Wunsch nach Verbesserung ihrer Lebensbedingungen angetrieben wurden) veränderten das Gesicht Südaustraliens auch in physischer Hinsicht und prägten seine Kulturlandschaft in einem solchen Maße, dass sich die traditionell "deutschen" Regionen wie Adelaide Hills oder Barossa Valley (ursprünglich Neu Schlesien genannt) bis heute von anderen Regionen abheben. Die preußischen Einwanderer waren kulturell, politisch und gesellschaftlich aktiv. Sie brachten die Weintraditionen ihrer Region mit und führten sogar ihre eigenen kulinarischen Traditionen ein; außerdem blieben sie bis zum Ersten Weltkrieg eine deutschsprachige Community. 

Der Beitrag der Bauern und Handwerker aus den kleinen Orten entlang der Oder zur kulturellen, geistigen und sozialen Entwicklung Südaustraliens ist ein einzigartiges Phänomen. Weniger als ein halbes Tausend Menschen, die um die Jahreswende 1838/1839 auf den Antipoden ankamen, legten Grundlagen für das gesellschaftliche Leben – auch der zukünftigen Generationen ihrer Nachkommen. Ihr Erbe, eingebettet in die neuen Bedingungen, entwickelte sich zu einer sehr spezifischen Form, deren Besonderheit noch heute in Australien sichtbar ist.

Die Referentin: Dr. Anitta Maksymowicz ist Kuratorin im Museum des Lebuser Landes (Muzeum Ziemi Lubuskiej) in Zielona Góra (Grünberg). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Migration: Polnische und deutsche Auswanderung nach Übersee (Australien, USA) im 19. und 20. Jahrhundert, Polen in den USA („Polonia“), Migrationen und Umsiedlungen im Lebuser Land nach dem Krieg sowie Fragen der Lebuser Identität. Autorin zahlreicher Veröffentlichungen und Ausstellungen zu diesen Themen. Viele Jahre lang stellvertretende Chefredakteurin des Jahrbuchs "Studia Zielonogórskie" (Grünberger Studien), derzeit Chefredakteurin des Jahrbuchs "Ziemia Lubuska" (Lebuser Land).